In den vergangenen 15 Jahren hat sich unter den Bedingungen steigender Arbeitslosigkeit die Beschäftigungssituation von Menschen mit Migrationshintergrund deutlich verschlechtert. Die Gründe liegen nicht selten in mangelnden Qualifikationen der Bewerber, aber auch in der Haltung der Arbeitgeber, sich bei gleicher Eignung für einen deutschen Bewerber ohne Migrationshintergrund zu entscheiden. Statistische Daten über die Erwerbs- und Arbeitslosigkeitsquote bei Menschen mit Migrationshintergrund sind auf absehbare Zeit nicht verfügbar. Erfasst werden hingegen entsprechende Zahlen zur Erwerbsbeteiligung der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Diese ist gesunken, wie auch die Arbeitslosenquote unter den ausländischen Erwerbsfähigen in Hannover deutlich höher ist als die der Erwerbsfähigen mit deutschem Pass. Nach Aussagen der Experten von ARGE, der Agentur für Arbeit und dem Förderprojekt Hölderlinstrasse weicht der Trend bei den Menschen mit Migrationshintergrund gegenwärtig nicht merklich von der statistisch belegten Situation bei den ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ab.
Eine deutliche Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Migrationshintergrund ist nicht nur aus sozial- und gesellschaftspolitischen Gründen dringend geboten, sondern sie ist auch aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive ohne Alternative. Bereits heute zeigen sich erste Anzeichen eines Fachkräftemangels in der Wirtschaft, die demografischen Prognosen verheißen eine dauerhafte Verschärfung dieser Situation. Darüber hinaus benötigen immer mehr Unternehmen Fachkräfte mit länderspezifischen, sprachlichen und interkulturellen Kenntnissen. Unter diesen Umständen ist es unumgänglich, das gesamte heimische Potenzial an Erwerbsfähigen mit und ohne Migrationshintergrund durch Qualifizierung zur Entfaltung zu bringen.
Den öffentlich finanzierten Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik kommt bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt besondere Bedeutung zu. Diese Arbeitsmarktpolitik wird von der Bundesregierung gestaltet und findet entsprechenden Niederschlag im Nationalen Integrationsplan. Der Lokale Integrationsplan beschränkt sich daher auf Maßnahmen, auf die die kommunale Ebene tatsächlich Einfluss nehmen kann.
Von Migranten geführte Unternehmen sind heute ein bedeutender Faktor lokaler Ökonomie, doch ist der Schritt in die Selbständigkeit für Menschen mit Migrationshintergrund offenbar mit besonders hohen Risiken behaftet: Die Zahl der Betriebsschließungen ist in diesem Bereich überdurchschnittlich hoch. Dies hat damit zu tun, dass viele Existenzgründer/innen und Selbständige mit Migrationshintergrund vor dem Schritt in die Selbständigkeit arbeitslos oder von absehbarer Arbeitslosigkeit bedroht waren. Auch in anderen Punkten unterscheiden sich ihre Unternehmensgründungen strukturell von den Gründungen anderer Marktteilnehmer. Gründer/innen mit Migrationshintergrund sind im Durchschnitt jünger als jene ohne Migrationshintergrund und haben mehr Probleme bei der Fremdfinanzierung. Sie leihen sich daher wesentlich häufiger das nötige Kapital von Freunden und von der Familie, nicht von Banken und Förderinstitutionen. Wegen dieser Ferne vom professionellen Kapitalmarkt konzentrieren sich Migrantenunternehmen notgedrungen auf Branchen mit geringem Kapitalbedarf. Die von ihnen geschaffenen Unternehmen sind daher häufig Klein- und Kleinstbetriebe. Beratungs- und Unterstützungsangeboten kommt somit eine besondere Bedeutung zu (siehe Feld 2.2 „Existenzgründung“).
Über die spezielle Gründungsberatung hinaus hält die kommunale Wirtschaftsförderung ein Beratungsangebot für alle Unternehmen in Hannover bereit, das auch Migrantenunternehmen offen steht. Dieses Angebot wird auch grundsätzlich wahrgenommen, allerdings nicht in dem Umfang, der dem Anteil dieser Unternehmen an der Gesamtzahl der Unternehmen in Hannover entspräche.
Mögliche Ursachen sind in mangelnder Bekanntheit des Angebots, aber auch in Schwellenängsten gegenüber behördlichen Aktivitäten zu suchen. Um hier entgegen zu wirken, eignen sich besonders zwei Ansätze: Die Wirtschaftsinitiativen in den Stadtteilen und die jährlich stattfindende Unternehmens-Kontaktmesse „b2d“*.
Unter Wirtschaftsinitiativen in den Stadtteilen werden Zusammenschlüsse von Unternehmen verstanden, die der Stärkung der einzelnen Mitgliedsunternehmen als auch der gesamten lokalen Ökonomie dienen. Durch gemeinsame Marketingaktivitäten und Aktionen wird ein Beitrag geleistet zur Sicherung der Nahversorgung, zur Identifikation mit dem Stadtteil und zur Aufwertung des Stadtteilimages. Viele dieser Interessengemeinschaften haben auch einen weitgehenden Gestaltungsanspruch für ihren Stadtteil.
Die Unternehmens-Kontaktmesse hat das Ziel, Aufträge in der Region Hannover zu halten, Unternehmen in der Region zu vernetzen und zu stärken. Sie bietet auch einen hohen Nutzen im Zusammenhang mit der Integration von Migrantenunternehmen.
Migrantenunternehmen sind bislang sowohl in diesen Wirtschaftsinitiativen in den Stadtteilen als auch auf der Unternehmens-Kontaktmesse äußerst geringer Zahl vertreten.
Ziele
Die Zahl von Migrantenunternehmen, die an Wirtschaftsinitiativen in den Stadtteilen teilnehmen, wird erhöht.
Die Beteiligung von Migrantenunternehmen als Aussteller und Besucher bei Wirtschaftsförderaktivitäten wie der Unternehmens-Kontaktmesse wird erhöht.
Alle Unternehmen erhalten im Prozess der eigenen interkulturellen Öffnung das Angebot der Unterstützung z.B. durch Beratung.
Handlungsansätze
Der Weg, mehr Migrantenunternehmen an den Wirtschaftsinitiativen zu beteiligen, ist die gezielte, persönliche Ansprache der entsprechenden Unternehmen. Diese persönliche Ansprache kann durch die Nutzung bereits bestehender Strukturen erfolgen (Wirtschaftsförderung, Quartiersmanagement, Stadtteilmanagement, Stadtbezirksmanagement, Gewerbeberater oder auch Kontakte über Migrantenselbstorganisationen). Gezielte Schulungen der städtischen Mitarbeiter/innen zur interkulturellen Kompetenz* erhöhen die Chancen auf fruchtbare Ansprache. Auch bei Neueinstellungen soll dieser Aspekt berücksichtigt werden.
Um eine höhere Beteiligung von Migrantenunternehmen an der Unternehmens-Kontaktmesse zu erreichen, ist insbesondere die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen wie dem Bund Türkisch Europäischer Unternehmer (BTEU) zu intensivieren. Darüber hinaus sind weitere Migrantenorganisationen zu aktivieren, um das Angebot der Messe „b2d“ an mehr Migrantenunternehmen heranzutragen.
Daneben wird eine weitere Verbesserung der interkulturellen Kompetenz von Unternehmen angestrebt. Städtischerseits kann eine Beratung für interessierte Unternehmen angeboten werden, mit Hinweis auf die unterschiedlichen Schulungsangebote, beispielsweise der städtischen Volkshochschule, des Technologie-Centrum GmbH Hannover (TCH), des BTEU oder anderer Anbieter, die langjährige Erfahrungen mit der (berufliche) Qualifizierung von Menschen mit Migrationshintergrund haben.
Im Rahmen eines Aufbaus interkultureller Arbeitsstrukturen soll z.B. dafür geworben werden, dass auch in der Privatwirtschaft bei innerbetrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen der Teilnehmeranteil von Migrantinnen und Migranten mindestens dem ihres Gesamtanteils an der Belegschaft entspricht.
Die Landeshauptstadt Hannover priorisiert die Lokalen Ökonomien, die im Sinne der Erhöhung der Beteiligung von Migrant/innen-Unternehmen als Fördergebiete ausgewiesen werden sollen.