Alles beginnt mit einem Brief an den Sohn Mischa, den Aljona Grinbaum nie abschickte. Jetzt ist Aljona tot und als Mischa in ihren Hinterlassenschaften das über 30 Jahre alte Schriftstück findet, beginnt für ihn eine Reise in seine Familiengeschichte, die tief geprägt ist von den politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts, vom Schicksal der europäischen Jüdinnen und Juden, von Migration und politischer Verfolgung. Beginnend in Odessa spannt Autor Maxim Biller einen Bogen, in dem das Massaker der Nazis am Tolbuchin-Platz ebenso eine Rolle spielt wie ein Giftanschlag des KGB, der Mischas Vater Gena galt und Aljona traf. Die Emigration ist nun alternativlos, doch statt in Israel, wo Gena als glühender Zionist stets Fuß fassen wollte, findet die Familie Grinbaum im Hamburger Grindelviertel, wo heute nichts mehr an die jüdische Vergangenheit des Stadtteils erinnert, ihre neue, ungeliebte Heimat.
Voller Zärtlichkeit webt Biller eine vielschichtige Familiensaga. In deren Zentrum steht die Mutter-Sohn- Beziehung, deren Liebe zur Literatur zugleich enges Band wie auch Rivalität um Werk und Themen bedeutet, denn Aljona wurde im hohen Alter ebenso Schriftstellerin wie es ihr Sohn Mischa ist.
Regisseurin Alice Buddeberg, die in Hannover bereits 2019 Nadja Spiegelmans biografischen Roman „Was nie geschehen ist“ für den Ballhof Eins inszeniert hat, widmet sich mit Mama Odessa erneut einer autofiktionalen Geschichte um Erinnerungen und Erwartungen, familiäre Verstrickungen, Geheimnisse und Verrat.