Bereits 2019 begeisterte der aus Kreta stammende Choreograf Andonis Foniadakis mit seiner athletischen Tanzsprache in dem Ballett „Kosmos“ das Hannoversche Publikum: Virtuos erkundet er das tänzerische Bewegungsspektrum und schafft dabei eine derart faszinierende, elektrisierende Atmosphäre, dass der Raum vor geballter tänzerischer Energie nur so knistert.
Die Wahl des Themas ist keineswegs zufällig. Ikarus, eine Figur aus der griechischen Mythologie, verkörpert den kühnen Wunsch des Menschen, sich über seine eigenen Grenzen hinaus zu erheben. Seine Geschichte, in der er mit Flügeln ausgestattet wird und gegen die Warnungen seines Vaters Daedalus zu nah an die Sonne fliegt, nur um zu fallen und zu scheitern, hat seit jeher die menschliche Vorstellungskraft beflügelt.
Andonis Foniadakis´ Flügel sind der Tanz. Dieser ermöglichte es ihm, als junger Mensch seine Heimatinsel Kreta zu verlassen und seine in Athen begonnene Ausbildung als Tänzer an der Rudra Béjart Schule in Lausanne zu beenden. Seine Bewegungssprache auf der Bühne drückt eine rohe, wilde Energie aus und scheint innere, zunächst widersprüchliche Kräfte auszuloten. Besonders wichtig ist dem Choreografen die Gleichzeitigkeit von Zerbrechlichkeit und Stärke im Tanz: Das, was auf der Bühne so stark und präsent erscheint, der menschliche Körper in Bewegung, ist in Wahrheit oft das Verletzlichste überhaupt.
Im Tanz treibt ihn die gleiche Frage um, wie die titelgebende Figur Ikarus: Wie nah kann man der Sonne kommen, ohne zu verbrennen?
Gemeinsam mit Julien Tarride, der eine elektroakustische Auftragskomposition für diesen Abend kreieren wird, erarbeitet Andonis Foniadakis ein abendfüllendes Ballett für die Compagnie des Staatsballett Hannover.