Projekt unter Leitung des Instituts für Gartenbauliche Produktionssysteme der Leibniz Universität zeigt, dass neue Sorten widerstandsfähiger sind und weniger Wasser benötigen.
Weniger Regen und gleichzeitig steigende Temperaturen: Der Klimawandel wirkt sich auch auf den Getreideanbau aus. Weizen ist dabei nach Mais und Reis auf Platz drei der internationalen Getreideproduktion. Bislang galten alte Sorten als ertragreicher und stressresistenter als neue. Doch die Ergebnisse des Forschungsprojekts "BRIWECS" unter Leitung von Prof. Dr. Hartmut Stützel, Institut für Gartenbauliche Produktionssysteme der Leibniz Universität Hannover zeigen, dass neue, durch Züchtung verbesserte Weizensorten bei reduziertem Agrarchemieeinsätzen höhere Leistungen erbringen als alte Sorten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Projekt über eine Zeitdauer von fünf Jahren mit insgesamt knapp 4 Millionen Euro gefördert.
Produktionsmengen stabil halten
Für die globale Nahrungssicherung spielen die hohen Erträge im intensiven europäischen Weizenanbau eine ausschlaggebende Rolle. Doch wie können die nötigen Produktionsmengen von qualitativ hochwertigen Nahrungspflanzen wie Weizen trotz eines deutlich reduzierten Einsatzes von agrochemischen Produkten wie Dünger und Pflanzenschutzmitteln erreicht werden? Im Sinne einer nachhaltigeren Landwirtschaft gewinnt diese Frage zunehmend an Bedeutung.
Untersuchungen älterer und neuerer Weizensorten
In der öffentlichen Diskussion wird oft bemängelt, dass moderne Pflanzensorten aufgrund der starken Ausrichtung auf Ertragssteigerung nur noch im intensiven Anbau leistungsfähig seien. Älteren Sorten wird dagegen eine bessere Anpassungs- und Leistungsfähigkeit in Anbausystemen mit reduziertem Input zugesprochen. Jedoch fehlten bislang empirische Grundlagen für diese Aussagen, aus denen Entscheidungshilfen zur Züchtung bestimmter Sorten für einen nachhaltigeren Anbau entwickelt werden könnten. Um diese Wissenslücke zu schließen, haben Agrarwissenschaftler an verschiedenen Standorten den Einfluss des Zuchtfortschrittes auf das Ertragspotenzial unter nachhaltigeren Anbauszenarien unter die Lupe genommen.
Studie mit unterschiedlichen Bedingungen
In einer der bisher größten derartigen Untersuchungen weltweit wurden fast 200 bedeutende westeuropäische Weizensorten aus den letzten 50 Zulassungsjahren mehrjährig an diversen Standorten angebaut, u.a. am Standort Ruthe der Leibniz Universität. Das Ungewöhnliche an der Studie: Die Leistung jeder Sorte wurde nicht nur unter optimalen – also intensiven – Anbaubedingungen eingehend geprüft, sondern an jedem Standort auch im direkten Vergleich zu Varianten mit stark reduzierter Stickstoffdüngung bzw. ohne Pflanzenschutzbehandlungen. So konnten die Forscher die Leistungen der Sorten unter unterschiedlichen Anbauintensitäten direkt miteinander vergleichen und den langjährigen Zuchtfortschritt in einen direkten Zusammenhang mit der Ressourceneffizienz und dem Pflanzenschutzbedarf bringen.
Ertragssteigerung bei neuen Sorten
Die Studienergebnisse entsprechen einerseits den Erwartungen: Im intensiven Anbau verzeichneten die Agrarforscher eine durchschnittliche Ertragssteigerung neuer Sorten in Höhe von etwa 32 kg/ha pro Zulassungsjahr. Dies erklärt einen großen Anteil der anhaltenden Produktionszunahmen der vergangenen 50 Jahre und spiegelt sich auch in den Bestimmungen der Sortenzulassung wider. Für die Registrierung neuer Sorten setzen die amtlichen Zulassungsbehörden eine Verbesserung gegenüber früheren Sorten voraus.
Neuere Sorten mit besserer Ertragsstabilität
Eine große Überraschung hielten jedoch die Ertragsdaten aus den Varianten mit reduzierten Agrarchemieeinsätzen bereit. Der züchtungsgetriebene Ertragsfortschritt fiel wider Erwarten nicht geringer aus, sondern war ebenso hoch oder sogar noch höher als im intensiven Anbau. Dabei zeigten keineswegs die älteren, sondern durchweg die neuesten Sorten die höchste Leistung – und dies auch ohne Fungizid-Behandlung oder bei reduzierter Düngung. Die neueren Weizensorten zeichneten sich insgesamt durch verbesserte Krankheitsresistenzen, erhöhte Nährstoffnutzungseffizienz und sogar durch die stärksten Ertragsleistungen unter Dürrestress aus. Offensichtlich – so die Erklärung der Wissenschaftler – hat die intensive Züchtung auf Ertrag indirekt auch die Gesamtleistung der Sorten unter diversen Stress- oder Mangelsituationen verbessert. Neuere Sorten wiesen sich auch durch eine bessere Ertragsstabilität aus.
Akkumulation vorteilhafter Genvarianten
Dank eingehender Analysen des Erbguts aller Sorten konnten die Wissenschaftler auch die genetischen Hintergründe dieses Phänomens aufdecken: Durch die langjährige Selektion auf Ertrag unter äußerst unterschiedlichen Anbaubedingungen fand offensichtlich im Laufe der Zeit eine ständige Akkumulation von vorteilhaften Genvarianten statt. Deren Effekte waren im Einzelnen zwar jeweils sehr klein, in der Summe jedoch wirkte ihre stetige Zunahme positiv auf Nachhaltigkeitsmerkmale wie die Wasser- oder Nährstoffeffizienz. Darüber hinaus war zu erkennen, dass im Genpool moderner Sorten noch viel genetisches Potenzial für weitere Verbesserungen steckt.
Projektpartner
Weitere Projektpartner sind die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), das Julius Kühn-Institut (JKI), das Institut für Leibniz Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung und die Universität Bonn.