Das Jahr 2018 steht für die Klosterkammer im Zeichen ihres 200. Geburtstags. Dieses Jubiläum hat das Institut für Didaktik der Demokratie (IDD) der Leibniz Universität Hannover zum Anlass genommen, die Geschichte der Klosterkammer während des Nationalsozialismus einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Unter der Leitung von Prof. Detlef Schmiechen-Ackermann aus dem IDD untersuchten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Rolle der Klosterkammer als obere Provinzialbehörde während dieser Zeit. „Die wissenschaftliche Bedeutung des Projekts besteht darin, dass nach der Untersuchung zahlreicher ehemaliger Reichs- und späterer Bundesministerien nun endlich die für das Funktionieren des NS-Herrschaftssystems nicht minder wichtigen Behörden der mittleren Ebene untersucht und vorhandene Belastungen und Kontinuitäten analysiert wurden“, sagt Professor Schmiechen-Ackermann.
Die VolkswagenStiftung und die Klosterkammer Hannover haben das Projekt gefördert. "Die gründliche Auseinandersetzung der Klosterkammer mit ihrem Wirken in der Zeit des Nationalsozialismus hat die VolkswagenStiftung sehr gern unterstützt. Durch die Unabhängigkeit der Förderin konnte sichergestellt werden, dass die wissenschaftliche Untersuchung in der notwendigen kritischen Distanz vorgenommen werden konnte. Der Klosterkammer gratuliere ich zu diesem wichtigen Beitrag", so Dr. Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung.
Neben der eigentlichen Behördengeschichte wurden Themen wie der Einsatz von Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeitern aber auch von Kriegsgefangenen auf den landwirtschaftlichen und Forstflächen der Klosterkammer untersucht. "Welche Rolle hatte die Klosterkammer in der Zeit zwischen 1933 und 1945? Wie kommt es, dass es gelang, das Stiftungsvermögen weitgehend zu erhalten? Der Rückblick auf eine bedeutende Vergangenheit darf die Zeit von zwölf Jahren Parteiherrschaft der Nationalsozialisten nicht ausklammern", sagt der Präsident der Klosterkammer, Hans-Christian Biallas. "Das IDD der Leibniz Universität hat die Geschichte der Klosterkammer während des Nationalsozialismus einer kritischen Betrachtung unterzogen. Ich bin außerordentlich dankbar, dass wir dieses Projekt nicht alleine, sondern in Kooperation mit der VolkswagenStiftung fördern können."
Prof. Volker Epping, Präsident der Leibniz Universität Hannover, fügt hinzu: "Ich gratuliere der Klosterkammer zu dem wichtigen Schritt, ihre NS-Geschichte umfassend aufarbeiten zu lassen. Damit stellt sie sich als Institution ihrer Verantwortung. Die Leibniz Universität hat über eine Senatsarbeitsgruppe dieses dunkelste Kapitel der Technischen Hochschule Hannover ebenfalls untersuchen lassen und in einer Publikation aufbereitet. Darüber hinaus läuft zurzeit eine weitere Untersuchung zur weiteren Aufarbeitung der Geschichte der Hochschule hinsichtlich möglicher NS-Belastungen von Mitgliedern und Angehörigen in der Zeit von 1945 bis 1971."
Wie entwickelte sich das umfangreiche Pachtgeschäft der Klosterkammer während der NS-Zeit und welches Verhalten legten die Klostergutpächter dem Regime gegenüber an den Tag? Welche Rolle spielte der damalige Präsident der Klosterkammer, Albrecht Stalmann? Vor Beginn des Forschungsprojekts wurde die Rolle der Klosterkammer nur ausschnitthaft oder gar nicht beleuchtet, was unter anderem auf das von Stalmann gezeichnete Bild einer Institution, die den Widrigkeiten des Nationalsozialismus getrotzt habe, zum andern auf die erheblichen Quellenverluste während des Krieges zurückzuführen ist. Der Forschergruppe gelang es, diese Quellenverluste während der Recherche weitgehend auszugleichen: Es zeigte sich, dass die Anzahl der in der Klosterkammer erhaltenen Altakten umfangreicher war, als vorher angenommen. Darüber hinaus konnten Akten aus anderen Archiven fehlende Informationen größtenteils hinzufügen.
Die Publikation "Die Klosterkammer Hannover 1931-1955. Eine Mittelbehörde zwischen wirtschaftlicher Rationalität und Politisierung", Wallstein Verlag, wird ab Dezember im Buchhandel erhältlich sein.
(Veröffentlicht: 12. November 2018)