"MITMACHEN ODER WIDERSTEHEN?" – mit dieser Frage sehen sich Besucher*innen des ZeitZentrums Zivilcourage konfrontiert. Das pädagogische Konzept und den geplanten Ablauf eines Besuchs im neuen Lernort haben am 5. Oktober Dr. Axel von der Ohe, Finanz- und Ordnungsdezernent sowie stellvertretender Kulturdezernent der Landeshauptstadt Hannover, Gitta Weymann, Bereichsleiterin Zentrale Angelegenheiten im Fachbereich Kultur, und Dr. Karljosef Kreter, Leiter der städtischen Erinnerungskultur, präsentiert. Dabei hatte auch die Politik die Gelegenheit, sich vom aktuellen Zwischenstand des Projektes zu überzeugen, das kurz vor dem Abschluss steht.
"Es ist unmöglich, die gesamten Informationen und Möglichkeiten des ZeitZentrums Zivilcourage bei einem Kurzbesuch – oder überhaupt bei einem einzigen Besuch – zu erfassen. Das ist auch gut so, denn wir sind darauf aus, dass diese neue Kultureinrichtung von den Menschen, die in und außerhalb dieser Stadt leben, oft aufgesucht werden wird. Das ZeitZentrum Zivilcourage ist kein Museum und keine Gedenkstätte, sondern ein Lernort für Demokratie", betonte Dr. von der Ohe in seiner Begrüßung.
Weymann ergänzte: "Wir haben es mit einer Einrichtung zu tun, die neue Akzente im kulturellen Angebot der Stadt setzen wird. Kulturelle Bildung, eine kritische Auseinandersetzung mit der hannoverschen NS-Vergangenheit und Demokratie lernen gehen an diesem Ort der Information in zentraler Lage eine innovative Verbindung ein."
Das Konzept
"MITMACHEN ODER WIDERSTEHEN?" – auf der Suche nach Antworten auf diese Frage stehen den Besucher*innen des ZeitZentrums 45 Menschen zur Seite. Sie stehen stellvertretend für die rund 450.000 Einwohner*innen Hannovers um 1939. Opfer und Verfolgte des Nationalsozialismus ebenso wie überzeugte Nationalsozialist*innen, Mitläufer*innen und Helfer*innen. Jede*r Besucher*in nähert sich anhand einer zufällig zugeordneten Lebensgeschichte einer dieser Personen im Laufe des Besuchs an. Dabei findet in der Ausstellung selbst keine Zuschreibung statt: Wer ist Täter*in, Opfer, Helfer*in oder Mitläufer*in? Diese Einordnung ist ein Erkenntnisgewinn des Rundgangs. Der persönliche Bezug wird ergänzt um die lokale und die zeitgeschichtliche Einordnung. Daraus entstehen begleitet von erfahrenen Pädagog*innen Überlegungen und Nachfragen zum eigenen Handeln in Gegenwart und Zukunft.
"Wenn hier über die hannoversche Stadtgesellschaft im Nationalsozialismus berichtet wird, sind die Elemente des Mitmachens und die Erkenntnis, dass mich das etwas angeht, ganz wichtig", betonte Dr. Kreter. "Dabei wollen wir vermeiden, dass die Besucher*innen in einer passiven Position bleiben."
Das ZeitZentrum Zivilcourage setzt auf entdeckendes Lernen, auf Neugier und Forscherdrang bei den Besucher*innen. Bei der selbstständigen Meinungsbildung helfen die sogenannten Spurenkarten, die mit dem Porträt der ihnen zugeteilten Person die Besucher*innen "in der Spur" halten und sie zu den Abschnitten des Rundgangs führt, in denen biographische Informationshäppchen zu finden sind. Diese Informationen werden in fünf Modulen mit sprechenden Titeln angeboten: "Menschen in Hannover", "Mein Erbe?", "Meine Nachbarn?", "Meine Stadt?", "Meine Fragen?". Wer die Module mit Bild- und Textstationen, Hörstationen und Videos durchlaufen hat, wird die Stadt und die Menschen in Hannover mit anderen Augen sehen.
Ausblick und Kosten
Zurzeit laufen die Arbeiten an der Finalisierung der Ausstellung und die Akquise der Teamer*innen, die die Besuche pädagogisch betreuen werden. Das ZeitZentrum Zivilcourage wird Anfang 2021 eröffnen.
Das ZeitZentrum Zivilcourage ist ein Teil des Rathauskontors. Die Kosten für den Umbau der ehemaligen VHS in die modernen Räume des ZeitZentrums Zivilcourage und die Planungs- und Einrichtungskosten der Ausstellung selbst belaufen sich auf einmalig 2,125 Mio. Euro.
Der Weg von der Idee einer modernen Erinnerungskultur bis hin zum ZeitZentrum Zivilcourage
Die Gedenk- und Erinnerungskultur der Stadt Hannover zeichnet sich seit vielen Jahren durch vielfältige Aktivitäten und Veranstaltungen aus. Es fehlte aber ein Ort, der in der Mitte der Stadt eine zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit der NS-Zeit vermittelt und sowohl Bezüge zum heutigen Leben als auch zu geschichtlich relevanten Orten in Hannover aufzeigt. Dieser Ort ist in bester Lage direkt gegenüber dem Neuen Rathaus und in Nähe des Maschsees, des Mahnmals für die ermordeten Juden Hannovers am Opernplatz und der im 2. Weltkrieg zerstörten Aegidienkirche gefunden worden.
Rat und Kulturausschuss haben über Jahre das Vorhaben parteiübergreifend unterstützt und gefordert – dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass in den vergangenen Jahren Fremdenfeindlichkeit, offener und latenter Antisemitismus und rechtsextremistische Hetze lauter wurden.